Die Medienbehörde - Kritische Gedanken zu einer guten Idee
Sendepause - Medien und Medienpolitik in Österreich: So heisst
das umfassende Nachschlagewerk der beiden public journalists Harald Fidler
und Andreas Merkle. Darin zeigen sie, woran echte Liberalisierung der
Medienlandschaft, insbesondere des elektronischen Sektors in Österreich
in den letzten Jahren gescheitert ist. In altehrwürdiger Tradition
des Proporz- und Sozialpartnerschaftsstaates führten Verflechtungen
von Medien und Politik zu elementarer Stagnation in der medienkulturellen
Entwicklung des Landes.
Liberalisierungsimpulse
Obwohl sich Europa längst für eine offene und pluralistische
Fernsehlandschaft entschieden und daher terrestrisches Privatfernsehen
zugelassen hat, wartet man in Österreich jedenfalls weiter auf das
Glück vom gestrigen Tag. Das Regierungsprogramm der schwarz-blauen
Koalition sieht nun vor, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die
lang ersehnte Entwicklung eines fairen und transparenten Wettbewerbes
im Fernsehsektor zu schaffen.
Dieser neue Liberalisierungselan beruht vor allem auf der Hoffnung, eine
zentrale, beim Bundeskanzleramt einzurichtende Institution für Telekommunikation,
Informationstechnologie und Medien, vulgo Medienbehörde, würde
dafür entscheidende Impulse liefern.
Nach dem Vorbild des Schweizer Bundesamtes für Kommunikation (Bakom)
soll die Medienbehörde alle Zuständigkeiten unter einem Dach
zusammenfassen, die derzeit auf etliche Behörden und behördenähnliche
Einrichtungen verstreut sind: Telekom Control für Telefonie, die
Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes für den ORF, das Frequenzbüro
für Frequenzplanung und Lizenzvergabe sowie die Regionalradio- und
Kabelrundfunkbehörde für Privatradio und Kabel- und Satellitenfernsehen.
Weitgehend unklar ist noch, mit welchem ordnungspolitischen Pouvoir dieser
neue watchdog ausgestattet wird.
Re-Regulierungsabsichten
Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, den zugegebenermaßen schwierigen
Balanceakt zwischen der effektiven Öffnung des Rundfunkmarktes auf
der einen Seite und der Wahrung und gezielten Förderung des Zuseherinteresses
auf der anderen Seite vor dem Hintergrund rapider technologischer Veränderungen
zu bewältigen.
Dass dafür der Gesetzgeber einen Branchenwachhund einsetzen will,
der nicht auf bloße Rechtsaufsicht, sondern auf aktive Mitgestaltung
abzielt und dabei politisch möglichst unabhängig agieren soll,
ist in der gegenwärtigen politischen Situation besonders brisant.
Nicht wenige fürchten um ihre publizistische wie wirtschaftliche
Bewegungsfreiheit.
Die schwarz-blaue Koalition plant weitreichende staatliche Eingriffe,
die es der Medienbehörde ermöglichen sollen, den ORF zu überwachen
und bei Fehlverhalten abzumahnen.
Zudem sollen echte Strukturreformen des Rundfunksektors durchgeführt
werden.
Wo wird eingegriffen?
Mag in der Vergangenheit toleriert worden sein, dass staatliche Rundfunkpolitik
zu marktmissbrauchendem Verhalten des nationalen Champions ORF schwieg,
scheint man jetzt wenigstens dort grundsätzlichen Regulierungsbedarf
erkannt zu haben, wo der ORF mit dem Geld der Gebührenzahler in Bereiche
vordringt, die über den öffentlich-rechtlichen Auftrag hinausgehen.
Dies beträfe zum Beispiel sein ungehindertes Eindringen in rein
kommerzielle 'neue Geschäftsfelder' wie TV-Merchandising, die einer
gesetzlichen Grundlage entbehren.
Die Stoßrichtung dieses Regierungsvorhaben ist generell wünschenswert,
obwohl man derzeit nur erahnen kann, in welchen Bereichen strukturelle
Änderungen ansetzen werden, die den ORF einschränken sollen.
So kursieren etwa Gerüchte zur Festlegung der ORF-Gebühren,
zur Neuvergabe von langjährigen ORF-Sendelizenzen, zur Reduktion
von ORF-Werbezeiten, zur Ermöglichung eines chancengleichen Zugangs
zu Verbreitungstechnologien für Mitbewerber oder zur Übernahme
des vom ORF betriebenen Radio- und Teletests durch die Medienbehörde.
Erster demokratiepolitischer Prüfstein dieser Bemühungen um
Rundfunkregulierung wird die geplante Einführung von noch zu fixierenden
Marktanteilsobergrenzen sein, welche es der Kronen Zeitungunmöglich
machen würde, auch noch Marktdominanz im Fernsehen zu erreichen.
In diesem Zusammenhang ist es ausserdem notwendig, sektorenübergreifende
Beteiligungen des ORF zu prüfen und gegebenenfalls einzuschränken;
der ORF hielt beispielsweise 49% der Anteile am marktführenden kommerziellen
Internet-Provider A-Online. Obwohl sich der ORF zuletzt auf 2,5%
der Anteile zurückzog und den Rest der PTA überliess, wurde
bereits die Gründung einer gemeinsamen Internet-Plattform mit heimischen
Zeitungsverlagen beschlossen.
Medienentwicklungsanstalt
Man darf gespannt sein, ob es dem Gesetzgeber gelingt, die Einführung
von nationalem Privatfernsehen per Hausantenne, die unmittelbar mit der
Reform des ORF verknüpft ist, durch die Schaffung einer starke und
politisch unabhängige Medienbehörde zu beschleunigen.
Die Medienbehörde soll den aktiven Moderator zwischen Medien und
Regierung spielen.
Wichtig ist, ihr umfassende inhaltliche wie technische Kompetenzen zu
übertragen, damit auf Basis gesetzlicher Vorgaben echte Rundfunkfreiheit
als unverzichtbarer und unteilbarer Bestandteil der demokratischen Meinungs-
und Willensbildung möglich wird.
Dem Prinzip der gesellschaftlichen Repräsentanz folgend, kann sich
Medienvielfalt hierzulande nur etablieren, wenn fairer Wettbewerb um Inhalte
und technische Innovationen gewährleistet ist, der auch dem Konsumenten
einen qualitativen Mehrwert bringt.
Zur Wahrung inhaltlicher Vielfalt bedarf es jedenfalls eines öffentlichen
Forums regelmäßiger programmatischer Debatten, einer Konsumentenvereinigung
in Programmfragen, die von der Medienbehörde vertreten werden sollte.
Paul Murschetz ist Medienwissenschafter bei PUBLIC VOICE Lab (http://www.pvl.at),
Wien. © Wiener Zeitung vom 26.
Juni 2000
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